Meine Heimatgschicht: Ein Sommer nach dem Krieg
#heimatlandkreisfürth
Es war sehr heiß und wir Kinder spielten draußen auf der Straße. Ich als kleine Margot saß am Gartenzaun mit meinem Vetter Hansi und bauten eine Sand-Matsch-Burg. Auf einmal fuhren ziemlich langsam aber auch ziemlich laut amerikanische Militärautos und Panzer heran. Wir liefen, so schnell wir konnten, in den Garten, duckten uns hinter den Gartenzaun und staunten, was da angefahren kam.
Viele Soldaten waren dabei. Solche sahen wir da zum ersten Mal. Sie winkten uns heran. Langsam und scheu drückten wir uns von innen an den Zaun, wir konnten gerade noch drüber schauen. Einer lachte uns an und warf ein Päckchen direkt hinter uns in den Garten. Wir trauten uns kaum hinzulangen, aber es waren so aufmunternde Gesten der amerikanischen Soldaten, wir sollen es doch nehmen, es ist was zu essen. Wir konnten nicht widerstehen, die Neugier überwog.
Eine runde Blechdose, darin dunkle runde Scheiben, sie dufteten wunderbar, aber wie? – den Geschmack kannten wir noch nicht. Wir versuchten, daran zu lecken und abzubeißen, und dann aßen wir zum ersten Mal amerikanische Schokolade. Unsere Mütter, zwei Schwestern, freuten sie sich über die kleinen Gaben. Es kamen auch noch Kekse und Kaugummis, wer wusste da schon, was das war, aber für Hansi und mich schmeckte das alles sehr lecker.
Die Amerikaner freuten sich über unser Lachen und Staunen und versuchten auch, deutsche Worte zu sprechen, aber niemand von uns verstand sie, aber das herzliche Lachen zu den Frauen und uns Kindern verstand jeder.
Diese Zeit nach Kriegsende war für uns Kinder sehr aufregend. Keine Sirenen, keine Verdunkelungs-Rollos, man konnte wieder ohne Angst durchs Dorf gehen. Unsere Eltern und Großeltern, wir alle wohnten in einem Haus, konnten auch mal ein Schwein schlachten, ohne dass sie von jemandem vielleicht angezeigt wurden. Wir hatten viele Tiere hinterm Haus, Ziegen, Gänse, Hühner, Kaninchen, es ging uns auf dem Dorf nicht schlecht.
Für uns Kinder war es einfach eine wunderschöne Zeit. Einmal sah ich unserer Oma beim Schlachten eines Huhns zu. Sie hackte ihm mit einer Axt auf dem Hackstock den Kopf ab, der flog auf die Erde, die Henne fiel herunter und rannte ohne Kopf durch den Hof. Dann fiel sie tot um. Das Erschrecken war groß und auch etwas grauselig, aber wir Kinder wussten, die Tiere in den Ställen sind zum Essen da.
Hansi, als sogenanntes „lediges Kind“, bekam eines Tages von den Amerikanern ein Care-Paket. Wir öffneten es voller Spannung und fanden darin zwei Zahnbürsten mit lustigen Tierköpfen. So etwas hatten wir noch nie gesehen. Die Zahnpasta musste uns erst einmal erklärt werden. Außerdem war da noch ein großes Paket Milchpulver. Das war das Köstlichste, was wir zu dem damaligen Zeitpunkt je gegessen hatten. Wir steckten unsere nassen Finger in die Schachtel und schleckten das Pulver ab, immer und immer wieder. Diesen tollen Geschmack habe ich heute noch in meinem Gedächtnis. Auch feine Schokolade war dabei und ich glaube, damals hat meine Vorliebe für Schokolade angefangen.
Vielleicht war das in diesen Jahren wirklich mein schönster Kinder-Sommer, sorglos und voller Freude. Manchmal denke ich daran, wenn ich Kinder im Sand spielen und Burgen bauen sehe. Dann kommt mir auch der Gedanke an die damals beste Schokolade.
Foto: M. Gruber